Sehnsucht nach Marokko. Kurztrip Juni 2017

 

April 2017. Die Abende waren kühl. Es wurde früh dunkel. Viel Zeit zum Nachdenken. Gedanken jagen durch den Kopf. Schöne und weniger Schöne. Viele Fragen nach dem Warum, dem Weshalb, dem Wieso. Fragen, die man sich nicht so oft stellen sollte.

 

Der PC war eingeschaltet, Lust zu surfen hatte ich keine. Der Bildschirmschoner  zeigte mir in kurzen Abständen Fotos von meinen Marokkoreisen und den Familien, die ich lieb gewonnen hatte.

 

Rechts neben mir auf dem Schreibtisch lag der Kalender. Spontan buchte ich einen Flug von Frankfurt-Hahn nach Fes für 83 Euro. Später noch einen Mietwagen und Hotelübernachtungen in Khenifra und Fes.

 

Erst einige Tage später wurde mir klar, dass ich während des Ramadans meine Familien besuchen werde. Noch nie war ich während dieser Fastenzeit in Marokko unterwegs. Eine Erfahrung mehr, um dieses Land und dessen Kultur noch besser kennenzulernen.

 

Am 9. Juni um 11.40 Uhr, bei schönstem Wetter, hob der fast vollbesetzte Flieger ab. Mein Sitznachbar, ein Marokkaner der über 30 Jahre in Deutschland arbeitete und nun in Rente ist, hörte nicht auf, mir von seinen vielen verschiedenen Krankheiten sehr ausführlich zu erzählen. Mir wurde bewusst, dass ich doch kerngesund bin.

 

Plötzlich kam einige Sitzreihen vor mir, etwas Hektik auf. Eine Frau musste wiederbelebt werden. Glücklicherweise waren eine Ärztin und ein Arzt unter den Passagieren. In Valencia wurde ein Zwischenstopp eingelegt. Der Notarzt und der Krankenwagen warteten bereits, um die ca. 50 jährige Frau weiter zu versorgen.

 

Mit ca. 2 Stunden Verspätung landete die Ryanair Maschine in Fes. Das Außenthermometer am Flughafen zeigte 40 Grad im Schatten an.

 

Mrhaba Maroc. Alhamdu lilha.

 

Die Einreiseformalitäten am Zoll zogen sich wie immer etwas in Länge. Am Parkplatz nahm ich meinen Dacia Logan in Empfang.

 

Ziel war Khenifra. Eine Landkarte oder ein Navi brauchte ich nicht. Diese Strecke bin ich schon öfters gefahren. Einfach gen Süden über Sefrou, Ifrane, Azrou nach Khenifra.

 

Ich genoss die Klimaanlage im Fahrzeug. Der Logan fährt sich sehr gut und ist mit ca. 6 Liter Gasoil / 100 km, sehr sparsam. Vorteil ist, die etwas höhere Bodenfreiheit zu vergleichbaren Fahrzeugen in dieser Fahrzeugkategorie.

Ja, es ist Ramadan. Die Cafés und Restaurants sind geschlossen. Und viele Menschen sind auch nicht unterwegs. Die kleinen Geschäfte waren jedoch geöffnet.

Ich kaufte mir ein Brot, ein paar trockene Kekse für den Notfall und Wasser. Auch meine Maroc Telecom Karte lud ich mit 50 DH auf. 

Bei dieser Aktion half mir ein sehr netter Marokkaner, der gut deutsch sprach. Ich nutze diese Gelegenheit gleich aus.

 

Auf meinem Handy wählte ich die Nummer meiner Berberfamilie und drückte ihm das Handy in die Hand.  Welche eine perfekte Kommunikation über 2 Ecken.  Mein Kommen wurde für den nächsten Vormittag angekündigt.

 

Gegen 22 Uhr erreichte ich das Hotel in Khenifra. In der Stadt herrschte reges Treiben. Es war Fastenbrechen. Das Thermometer zeigte noch 32 Grad an.

 

Lust auf einen Stadtbummel hatte ich keinen. Ich genoss noch einen Tee und freute mich auf die nächsten Tage.

 

Beim Frühstück war ich der einzige Gast. Ein Tourist. Andere Hotelgäste hielten sich wohl an den Ramadan.

 

Ich stoppte noch im Stadtzentrum um Gemüse und Obst für die Familie zu kaufen. Stofftaschen hatte ich dabei. J.

Die Luft bewegte sich nicht. Es war recht schwül und sehr warm. Die Restaurants und Cafés alle geschlossen.

 

Nun machte ich mich, mit den gut beladenen Dacia, auf den Weg zur Berberfamilie.

Das Gehöft befindet sich ca. 25 km außerhalb der Stadt, umgeben von schönen Zedernwäldern, auf eine Höhe von ca. 1.700 m. Hier sind die Temperaturen auszuhalten.

Mit dem Dacia traute ich mich nicht bis direkt an das Gehöft zu fahren. Voll bepackt ging ich ca. 300 m über einen, mit Steinen übersäten Hang, direkt hoch zum Haus.

 

Mich wunderte, warum keiner der Hunde bellte oder mir einer der Vierbeiner nahe an meine Waden wollte. Nur die Ziegen und das Schaf beäugten mich. 

Der junge Haushund erinnerte sich wohl gut an mich. Hatte ich diesen im letzten Sommer täglich mit Leckerlis verwöhnt. Anfassen ließ er sich jedoch nicht.

 

Die Beziehung gegenüber Hunden in den ländlichen Gebieten beruht meist nur auf deren Ernährung. Und das ist oft, in Wasser eingeweichtes Brot oder Speisereste, die jedoch von allen Tieren sehr begehrt sind.

 

Zu ihrem neuen Hund haben die Frauen keine Beziehung. Er wird auch nicht angefasst. Er ist dazu da, um das Gehöft gegen fremde Eindringlinge zu verteidigen bzw. die Besucher anzumelden. 

Den großen Nachbarshund sah ich nicht.

 

Die Wiedersehensfreude war groß. Leider war die Mutter nicht da. Sie war mit dem Esel zu Verwandten geritten und verbrachte dort ein paar Tage.

Auch die geistig behinderte Tochter Najema, auf einem Stein vor dem Haus sitzend, erkannte mich gleich. Sie lächelte, nahm meine rechte Hand und küsste mir auf den Handrücken und versank wieder in ihrer eigenen Welt. So wie jeden Tag.

 

Was sich immer mehr negativ für mich darstellt, ist die Kommunikation mit den netten und lieben Frauen.

Es gäbe so viel zu erzählen. Leider beschränkt sich die Kommunikation mehr auf einfache Dinge. Ich bekomme viel mit um was es denn geht, was heute noch gemacht oder gearbeitet wird und dass sich die Frauen an den Ramadan halten. Aicha und ihre Mutter beten auch.

 

Hassna, Fatima, Aicha und ich machten es uns auf den Teppichen im Wohn-, Ess -, Schlaf-, und Arbeitszimmer, der Küche und dem Bad gemütlich.

 

Eine Toilette ist auf dem Gehöft nicht vorhanden, auch kein fließendes Wasser und kein Strom.

Ebenso fehlen Stühle, Betten, Matratzen oder kuschelige Bettwäsche. Geschlafen wird in Kleidung auf Teppichen, zugedeckt mit einer dünnen Decke.

Ein kleines Solarmodul, das eine Autobatterie lädt ist der einzige Luxus. Hier werden die Akkus Handys und Smartphones geladen und eine Glühbirne zum Leben erweckt.

 

Ich hatte Fotos von meinem letzen Aufenthalt im Dezember mitgebracht. Auch einige Körperpflegemittel und T-Shirts. Mehr ging nicht wegen dem Flieger.

 

Aufgefallen ist mir, dass der kleine Holzofen aus dem Raum verbannt wurde. Gekocht wird nun meist mit Gas. Speisen, die gerat werden, werden weiterhin auf dem kleinen Holzofen zubereitet.

 

Die Frauen fragten mich ständig nach meinem Befinden. Anfangs weigerte ich mich einen Tee oder etwas zu Essen anzunehmen. Damit kam ich jedoch nicht durch.  Ich gab nach. Hatte jedoch ein schlechtes Gewissen, weil die Frauen fasteten.

 

 

Ich saugte wieder alles in mich hinein. Beobachtete alles genau und verglich dieses karge und einfache Leben mit dem in unserer konsumorientierten gefühlskalten Wohlstandswelt.

 

Die Frauen träumen von dieser, für sie doch, sehr schönen Welt. Ich von deren einfachen Welt wo ich tief durchatmen kann. Sie können es nicht glauben, dass ich mir hier in Marokko und bei ihnen so wohl fühle.

 

Es sprach sich wohl schnell in der Nachbarschaft herum, dass der Martin aus Allemage wieder hier zu Besuch ist. Ich konnte wieder einige Bekannte mit einem Mrhaba und Labass begrüßen.

 

Manchmal lernen wir die Namen von Gegenständen oder Dingen. Ich die marokkanischen, die Frauen die deutschen Worte.

Mit dem Kissen begann es. Dann wurde nach Küssen gefragt. Und dann kamen noch 5 Küken mit ihrer Mutti zu Besuch in den Raum. Kissen, küssen und Kücken.  Glaube, dass nur küssen in den Köpfen hängen geblieben ist. Bei mir auch.

 

Hassna saß ab und an am einfachen Webstuhl, dessen Holzgerüst nur mit Schnüren und Drähten zusammengehalten wird.

Für uns ein schönes Museumsstück, für die Frauen ein alltägliches Arbeitsmittel. Es wurde gerade ein Teppich für den Eigenbedarf hergestellt. Verwendet wurde jedoch keine Schafswolle verwendet, sondern, in ca. 2 cm Streifen geschnittene, Stoffreste, die mit einer Art Kamm gepresst wurden.

 

Aicha und Fatima bereiteten das Abendessen vor. Eine Haria.

Auch ein Saft wurde zubereitet. Orangen wurden ausgepresst und der Saft mit etwas Wasser und frisch geriebenen Karotten gemischt. Feuchte Tücher kühlten das nicht alltägliche Getränk.

 

Zwischendurch ging ich vor das Haus um ein Zigarettle bei einem tollen Blick in das Tal zu genießen.

 

Hier wurde ich oft von dem einzigen Schaf und den zutraulichen und neugierigen Ziegen besucht.

 

Frische Bioeier.

 

Neu ist auch ein Trinkwasserbrunnen im Tal. Der Weg zum Ziehbrunnen wird somit verkürzt. Die Esel freuen sich bestimmt darüber.

 

Pro Tag wurden ca. 140 Liter Wasser benötigt. Das reicht für 5 Personen, für die Tiere, für den kleinen Gemüsegarten, zur Körperpflege und zum Kochen. Es waren immer 2 Touren zum Brunnen, da Mama mit dem zweiten Esel auf Achse war.

 

Wir genossen alle den sehr ausgiebigen Mittagsschlaf. Glaube es waren über 2 Stunden.

 

Mit Aicha ging ich noch in den Wald um Futter für die Esel, Ziegen und das Schaf zu holen. Hier werden von bestimmten Bäumen Äste abgesägt. Das Grünzeug schmeckt den Tieren.

Oder so.

 

Auf dem Rückweg zum Gehöft, sah ich den großen Nachbarshund, der mich einmal fast angefallen hatte. Mit Leckerlis machte ich ihn zu meinem Freund. Er erkannte mich wohl gleich an meiner Stimme, legte sich auf den Rücken und genoss meine Streicheleinheiten. Die vielen Flöhe in seinem dichten Fell nicht.

 

Ich merke den Frauen an, dass sie den ganzen Tag nichts getrunken und gegessen haben. Umso mehr stieg die Spannung,  je näher sich die Uhrzeit zum täglichen Fastenbrechen näherte. Um diesen Termin nicht zu verpassen, wurde das, sehr in die Jahre gekommene, kleine Radio aktiviert um auf den Beginn des 5. Gebetes zu warten.

 

Die Vorspeisen Obst, eine Süßspeise und der frische Saft standen bereits, abgedeckt mit einem Tuch, auf dem kleinen runden Tisch.

 

Das war für mich ein schönes und sehr spannendes Erlebnis. Wir genossen das leckere Essen und die gustiöse Harira.

 

Es war bereits dunkel. Hassna und Fatima begleiteten mich noch runter bis zum Auto. Bis in die Stadt zum Hotel hatte ich noch ca. 30 Minuten zu fahren.

 

Gedacht hatte ich, am nächsten Tage nochmals kurz die Frauen zu besuchen und mich gegen Mittag auf den Weg nach Tassa zu machen.

Ich beschloss jedoch, noch einen weiteren Tag bei der Familie zu verbringen. Da im Hotel nur wenige Zimmer belegt waren, war es auch kein Problem eine weitere Übernachtung zu buchen. Wobei die Frauen meinten, dass ich nicht im Hotel übernachten solle, sondern bei ihnen im Gehöft, was ich jedoch dankend ablehnte.

Es waren wieder sehr hohe Temperaturunterschiede zwischen der Stadt und dem hoch gelegenen Gehöft im Zedernwald.

 

Der neue Tag begann sehr gut. Mein Frühstück wurde auf der Terrasse mit schöner Sicht auf die Stadt serviert. Wie am Vortag auch, verzichtete ich auf das Besteck. Das gefiel wohl auch dem netten Mitarbeiter, der mir jeden Wunsch von meinen Augen ablas. Wir beide mochten uns.

 

Ich machte mich durch schöne Landschaften auf den Weg zur Familie. Anschließend fuhr ich mit Hassna und Fatima wieder zurück in die Stadt auf den Souk zum einkaufen.

 

Ich gab ihnen etwas Geld für den Einkauf. Auch hier merkte man den Ramadan. Die ganzen Zelte, in denen Speisen und Getränke angeboten wurden, fehlten. Das sonst lebhafte Treiben wich einer angenehmen Ruhe und Stille.

Für mich ist es immer wieder ein Erlebnis, mit Einheimischen über den Souk zu schlendern um zu sehen, was sie kaufen und wo sie etwas kaufen.

Gewürze wurden in Zeitungspapier verpackt, Taschen sind fast Pflicht. Plastiktüten gibt es noch in den seltensten Fällen. Alternativ werden Dinge in kleinen Beuteln mit Tragegriffen verpackt. Diese Beutel werden jedoch auch aus Kunstfasern hergestellt. Die Tragegriffe reißen leider sehr schnell.

Für die Polizeiwache auf dem Land wurde noch ein Kunststoffteppich gekauft.  Die vielen schweren Taschen und den Teppich schleppten wir bei gefühlten 40 Grad zum Dacia.

Im Stadtzentrum wurde noch eine kleine Portion Fleisch beim Metzger gekauft.

 

Ich freute mich auf die frischere Landluft. Als wir ankamen wartete Aicha bereits mit dem Esel auf uns, der die Einkäufe hoch zum Gehöft transportierte.

 

Nach diesem Einkaufsstress wurde erst einmal ein längeres Nickerchen gemacht. Auch die vielen Tiere schlossen sich uns an.

 

Die Stunden gingen viel zu schnell vorüber. Mit Aicha holte ich im Wald wieder Futter für die Tiere und begleitete Aicha zum Brunnen.

Fatima und Hassna bereiteten das Abendessen zu. Es gab, neben den süßen Vorspeisen, eine Tajine.

Der Abschied fiel uns allen schwer. Ich musste versprechen im August wieder zu kommen. Die Frauen wollen mir dann weitere schöne Ecken in der Region zeigen.

 

Müde war ich noch nicht, als ich im Hotel ankam. Die Bar und die schöne Terrasse waren geöffnet. Wieder mit einem schönen Blick auf den Pool und das Lichtermeer in der Stadt.

Tee hatte ich genug getrunken. Ich bestellte mir einen Kaffee.

 

Einige Marokkaner und Marokkanerinnen aus der Stadt saßen auch an den Tischen.

Mit einem Mann, ca. Mitte Fünfzig , der mit zwei jüngeren Frauen, ca. 30 -35 Jahre alt, neben mir am Tisch saß, kam ich ins Gespräch. Er sprach etwas englisch. Die Frauen nicht. Ich fragte mich, wie das viele Makeup auf der Gesichtshaut der doch sehr aufgehübschten Frauen kleben und halten kann.

 

Die Frauen stellten wieder die üblichen neugierigen Fragen. Woher ich komme, wie alt ich bin, ob ich verheiratet bin, Kinder habe, welchen Beruf  ich ausübe und … und …..

 

Nach 30 Minuten und einem weiteren Tässle Kaffee, fragte mich eine der Frauen, ob ich sie nicht heiraten möchte. Ich würde ihr gefallen. Selbstverständlich wollte sie im schönen Allemage mit mir leben und über 2 Kinder würde sie sich auch freuen. Ich lehnte dankend ab. Dennoch blieb sie hartnäckig. Ich auch.

 

Gegen 3 Uhr habe ich mein Zimmer aufgesucht.

 

Ich freute mich auf das Frühstück, das für 8 Uhr bestellt war. Mit der Zeitumstellung kam ich nicht so klar. Um 7 Uhr stand ich auf der Terrasse. Der Tisch war noch nicht gedeckt.

Die Zeit nutze ich, um meine Klamotten zu packen und für einen kurzen Spaziergang.

 

Das gute und reichhaltige Frühstück genoss ich auf der Terrasse. Nach zwei gefühlten Stunden, verabschiedete ich mich von dem netten Angestellten. Wir nahmen uns in die Arme, drückten uns fest und küssten uns auf die Wangen. Sehr viele dieser schönen Momente durfte ich auf meinen Marokkoreisen erleben.

 

Meine gefühlte Statistik würde aussagen, dass es zu 75% Männerküsse waren, 20% Kinderküsse und 5% Frauenküsse auf meine Wangen oder auf den Handrücken.

 

Heutiges  Ziel war das kleine Dorf Tassa, in der Nähe der Provinzstadt Outat El Haj, die ca. 300 km entfernt war.

 

In Midelt legte ich noch einen kurzen Stopp ein. Auch hier bestimmt 40 Grad im Schatten.

 

In der Provinzstadt Outat El Haj zog ich die Handbremse vor der einzigen Patisserie. 

Die Mitarbeiterin erkannte mich sofort, lächelte etwas schüchtern und hatte gleich eine große Tüte in der Hand. Diese wurde mit verschiedenen süßen Teilchen bis zum Rand gefüllt.

 

Der nächste Stopp war bei einem Mechaniker, der mir im Dezember am Toyota wieder den Blinker reparierte. Ich überreichte ihm Fotos, worüber er sich sehr freute.

 

Bei den Familien Baabou in Tassa traf ich gegen 18 Uhr ein. Auch hier eine große Wiedersehensfreude mit den Familien. 

Die Frau von Rahhou muss nun den Haushalt alleine bewältigen. Ihre Tochter Fatima hatte im April geheiratet und ist in die Stadt gezogen. Vier Söhne, im Alter zwischen ca. 13 und 24 Jahren und der Mann müssen versorgt werden. Zusätzlich noch die Tiere. Die Söhne helfen hier jedoch mit.

 

Auch der junge und sehr zutrauliche Hund erkannte mich wieder. Ein weiterer Welpe, der allerdings sehr schüchtern war, ist wohl auch neues Mitglied der Familien.

 

Die Familie von Alimohamed war vollzählig.  Die Männer gingen zurück zu ihren Feldern. Sie waren gerade damit beschäftigt, diese zu bewässern. Das schaute ich mir natürlich an.

 

Es war sehr interessant. Das Wasser ist trinkbar und kommt von den nahe gelegenen Bergen des Mittleren Atlas.

 

Zurück am Haus angekommen, übereichte ich Fotos von meinem letzten Aufenthalt im Dezember und einige Gastgeschenke.

Mir wurde auf der schattigen Terrasse Tee serviert. Dazu ein Stück Brot, eine kleine Schale, gefüllt mit eigenem Olivenöl und eingelegte Oliven. Die anderen mussten zuschauen. Ich hatte wieder ein schlechtes Gewissen. Ablehnen wollte ich die Speisen auch nicht.

 

Meine junge marokkanische Freundin, Jihan, kam von der Moschee zurück. Wie immer war sie in den ersten Stunden sehr schüchtern und zurückhaltend. Das legte sich.

 

Obwohl hier auch die Kommunikation sehr schwierig ist, fühlt man die Freude der lieben Familie über meinen Besuch.

 

Es ist immer wieder traumhaft, zusammen mit den Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Alten auf der Terrasse gemeinsam die lauen Sommerabende verbringen zu dürfen.

 

Im schönen Licht der Glühlampe konnten man die vielen Trauben sehen, die bald geerntet bzw. gegessen werden können.

Alle warteten gespannt auf das Fastenbrechen, das der Imam in der nahegelegenen Moschee ankündigte.

Auch hier wurden vorab diverse Süßspeisen und eine Suppe  gegessen und von dem leckeren Orangen-Karottenmix Saft getrunken. Nach der Hauptspeise wurde noch frisches Obst serviert.

Auf der Terrasse wurde herumgealbert, diskutiert, gelacht, mancher machte ein kurzes Nickerchen. Um Mitternacht nahmen wir nochmals eine warme Mahlzeit und Obst zu uns.

 

Gegen 2 Uhr habe ich mich dann im Salon auf dem Sofa unter eine leichte Decke gelegt und bin zusammen mit drei weiteren Söhnen schnell weggesegelt.

 

Da die Fenster mit Kissen abgedeckt waren konnte ich die Uhrzeit am frühen Morgen nur erahnen. Es war sehr ruhig im Haus. Nur die Mutter war aktiv. In der Küche bereitete sie mir einen Tee zu. Später brachte sie mir Brot, Olivenöl und ein Spiegelei auf die Terrasse. Alle anderen schliefen noch. Ich genoss die friedliche Morgenstimmung.

 

Nach und nach kam Leben in den Häusern auf. Jeder hatte irgendetwas zu tun, oder auch nicht. Rahhou war bereits unterwegs um die Felder der Dorfbewohner zu bewässern. Er ist im Ort dafür zuständig und teilweise auch nachts unterwegs, um das kostbare Wasser wieder gerecht umzuleiten.

 

Dorfgasse

Hinter dem Haus im Schatten.

 

Das Getriede wurde mit der Sichel geerntet. Nun wird auf die mobile Dreschmaschine gewartet.

 

Die Frau von Alimohamed entfernte die harten Schalen der getrockneten Erbsen, auf dem Boden sitzend, mit einem kleinen Metallstück.

 

Jihan, ihr Bruder Simon und Mohamed waren fast immer an meiner Seite.

 

Auch die kleine Fatima wollte immer mit mir schmusen.

 

Ich fühlte mich wieder sehr wohl und beobachte wieder alles.

 

Mohamed musste wieder das Butterfass bewegen. Die frische Biobutter ist ein Gedicht.

Die Frischmilchlieferantin

 

Der, doch recht junge, mir sehr sympathische, Imam des Dorfes kam auch auf einen kurzen Besuch vorbei. An der Hauswand, auf dem Boden unter den schattenspendenden Reben sitzend, wurde wohl über viele Dinge geredet.

 

Nun war es Zeit für ein kollektives Mittagsschläfchen. Dazu wurden die Räume oder die Gänge in dem kühlen Lehmhaus aufgesucht.

 

Ja, so ein längeres Nickerchen tut dem Körper und der Seele doch sehr gut.

 

Die Kinder und der Martin bekamen anschließend etwas zu essen.

 

Am späten Nachmittag fuhren wir in die ca. 20 km entfernte  Stadt um einige Besorgungen zu machen. Mit 7 Personen war der Dacia nun gut besetzt. Natürlich stand auch wieder ein Besuch der Patisserie auf dem Programm.

Mein Fahrdienst ist immer willkommen. Freiwillig würde mich niemand Fragen ob ich jemand in die Stadt fahren würde. Ich sage immer, dass ich kurz in die Stadt muss und ob jemand mitfahren möchte oder jemand etwas benötige.

 

Zurück am Haus angekommen wurde mir wieder eine Kleinigkeit zu Essen und ein Tee gereicht, was mir doch etwas peinlich war. Meinem Magen nicht.

 

Ich besuchte kurz die Familie von Jihan. Auch hier wurde mir ein Tee serviert. Es ist für mich immer sehr schwierig, zu welchen Familie ich nun gehen soll. Auch die Entscheidung, wohin ich zum Abendessen  gehen soll.

 

Es wurde dunkel. Über den Lautsprecher der Moschee wurde das 5. Gebet verkündet.

 

 

Nun konnten den ausgezehrten Körpern wieder Wasser  und Speisen zugeführt werden, was sich auch in der Stimmung der Menschen bemerkbar machte.

 

Das Essen wurde im Salon eingenommen. Hier ist es auch immer sehr gemütlich. Ca. 10 Personen um den runden Tisch sitzend und in der Mitte die riesige Schale mit dem Essen, das mit Brotstücken aufgenommen wird.

 

Zusammen mit Jihan räumte ich den Tisch ab und brachte das Geschirr in die Küche. Jihan spülte, ich trocknete ab und räumte auf. Das ist einfach, weil kein Küchenschrank, sondern nur offene Regale  vorhanden sind. So ist alles doch etwas übersichtlich.

 

Auf der Terrasse ließen wir den schönen Abend ausklingen, jedoch nicht ohne, gegen 1 Uhr, noch gemeinsam etwas warmes zu Essen.

 

Heute war Abschiedstag.

 

Jihan weinte wieder. Ich habe ihr und den Familien versprochen im August wiederzukommen. Hier werden auch weitere Verwandte, die in verschiedenen Städten in Marokko wohnen und arbeiten, zu Besuch sein. Ghizlane aus Salé wird wohl auch hier sein. Sie spricht sehr gut Englisch und wird wieder übersetzen.

 

Nachdem ich mich von allen verabschiedet hatte, startete ich gegen 9.30 Uhr den Motor. Ziel war Fés.

 

Oben an der Straße nahm ich einen Mann mit nach El Orjane. Hier stoppte ich auch vor dem Haus von Redouane, der vor 2 Jahren das soziale Projekt “Nibras“ ins Leben gerufen hatte. Infos sind auf dieser Homepage zu lesen. Meinen Besuch hatte ich angekündigt, jedoch keine Antwort erhalten, was mir nicht gefiel. Ich klopfte an der verschlossenen Haustüre. Niemand öffnete. Redouane war im Süden Marokkos unterwegs, seine Freundin war wohl im Haus. Ich war zu früh dran.

 

An der Hauptstraße nach Outat El Haj wollte ein älterer Mann mitgenommen werden. Ich stoppte. 2 Frauen mit ihren Kindern beobachteten dies und rannten gleich zum Auto. Mit 4 Erwachsenen und 3 Kindern und Gepäck hatte der Dacia eine gute Straßenlage.

 

Hayat wollte ich in Missour auch noch besuchen. Leider war sie nicht in der Stadt. Das nächste Mal. Inshalla.

 

Ich beschloss spontan, den Mietwagen bereits heute am Flughafen in Fés abzugeben. In der Stadt brauchte ich ja kein Auto. Ich wollte es gereinigt übergeben. Ich stoppte an 3 Tankstellen die Autowäschen anboten. Immer bekam ich eine Absage. Lag wohl am Ramadan.

 

Glück hatte ich an einer Tankstelle kurz vor dem Flughafen. Ein sehr wortkarger Mitarbeiter begann etwas demotiviert und bei sengender Nachmittagshitze mit der Fahrzeugwäsche. Ich ging davon aus, dass die Innen- und Außenreinigung in 10 Minuten erledigt wäre.

 

Zuerst wurden alle Fußmatten auf die Motorhaube gelegt und mit Druckluft der komplette Innenraum gesäubert. Anschließend mit einem Stück Rohr ausgesaugt.

 

Nun kam das Wasser. Eine Düse mit zugeführter Druckluft. Zuerst wurden alle Fußmatten damit gewaschen. Ich staunte nur noch. Die nassen Matten wurden über ein Rohr in die pralle Sonne gehängt.

Anschließend wurde die Karosserie mit einem Lappen gereinigt. Ich bekam ich große Augen und machte mir ernsthafte Sorgen, als die Türen geöffnet wurden und die Türrahmen ebenfalls mit dem Wasserstrahl gereinigt wurden.

 

Auch ich bekam auch eine kühlende Dusche ab. Der Mann lächelte das erste Mal. Mit einem feuchten Tusch wurde der Innenraum gereinigt. Nach ca. 30 Minuten hatte ich ein neues Auto. Bezahlen musste ich 2 Euro für diese Aktion, zzgl. Trinkgeld.

 

Am Flughafen konnte ich das Fahrzeug abgeben.

 

Ich wartete, mit meinem großen Rucksack, unter einem schattigen Baum, auf dem staubigen Boden sitzend, an der Haltestelle auf einen Bus.

 

Nach ca. 15 Minuten stoppte ein Taxi. Ob ich in die Stadt wolle, fragte der Fahrer, der bereits einen Fahrgast an Bord hatte. Klar, jedoch nicht mit einem teuren Taxi, sondern mit dem Bus.  Der Fahrer bot an, mich für 150 DH in die Medina zu fahren. Die Busfahrt sollte ca. 40 DH kosten.

 

Nur wusste ich nicht, wann denn der Bus endlich kommt und wann er wieder abfährt. Ich behielt die Ruhe und machte deutlich, dass ich viel Zeit hätte. Wir einigten uns auf 80 DH. Und im klimatisierten Taxi ist die Fahrt in die Medina ja auch angenehmer.

 

Mein Hotel, das wunderschöne Riad Sabah, befand sich mitten in der wunderschönen Medina von Fés.

 

Es ist jedoch im ersten Anlauf etwas schwierig, das Riad zu finden. Nachdem die große Holztüre geöffnet wurde, trat ich in eine andere, in eine orientalischen Welt ein. Das Personal sehr nett und zuvorkommend, die Empfangsdame wunderschön und mit einer sehr natürlichen Ausstrahlung. Sie kommt aus Essaouira. 

 

 

Dennoch fühle ich mich bei den Familien wesentlich wohler, als in einem Hotel, auch wenn es noch so schön und luxuriös ist.

 

Nach einer dringend notwendigen Dusche drehte ich einige Runden in der riesigen Medina.

 

Auch hier spürte ich, dass Ramadan ist.

Alles ist ruhiger, relaxter und langsam. Störend empfand ich die penetrante Anmache einiger total bekiffter jungen Männer.

 

Auch den nächsten Tag trieb ich mich in der Medina herum und ruhte mich zwischendurch im Hotel aus. Kurz vor dem Fastenbrechen wurden die Geschäfte geschlossen. Nach dem Essen wieder diese wieder geöffnet. Hier begann dann das richtige Leben in der Medina. Auch ein süßlicher Duft zog durch die engen Gassen.

 

 

 

Die Nacht war sehr kurz. Um 3.30 Uhr kam der Taxifahrer um mich zum Flughafen zu fahren. Die Sicherheitskontrollen wurden kurzfristig verschärft. Dies wurde mir auch von der Fluggesellschaft einen Tag vor Abflug per Mail mitgeteilt.

 

Eigentlich sollte ich schon um 3 Uhr am Flughafen sein. Der Flieger ging jedoch erst um 6 Uhr. 2 Stunden reichten völlig aus.

Bei der Gepäckkontrolle hatte ich noch eine kurze Diskussion mit dem Sicherheitspersonal. Meine 2 Liter Bioolivenöl, ein Geschenk der Familien, solle ich aus dem Rucksack nehmen und entsorgen, was ich ablehnte.

Das sei so ein gutes marokkanisches Öl, das es sonst nirgends auf der ganzen Welt gibt. Ich durfte die beiden Flaschen wieder im Rucksack verstauen.

 

Pünktlich um 6 Uhr startete der vollbesetzte Flieger.

 

Der Flughafen Franfurt-Hahn begrüßte mich mit schönstem Wetter.

 

Es waren wieder wunderschöne Tage, die ich im herrlichen Marokko erleben durfte. Wenn nur schon der 4. August wäre.